Altersarmut in Koblenz

Altersarmut in Koblenz

Vortragsveranstaltung des Seniorenbeirates am 27.10.2016 im Historischen Ratssaal

Die aktuelle Diskussion um Vermögens- und Einkommensverteilung in Deutschland, besonders auch um die künftige Höhe der Sozialrenten, hat den Seniorenbeirat veranlasst (Näheres hier), eine Vortragsveranstaltung über Altersarmut am 27.10.2016 im Historischen Ratssaal zu organisieren. Da gerade einen Tag zuvor der Alterssicherungsbericht der Bundesregierung veröffentlicht wurde, dessen zentrales Thema Altersarmut ist, fanden besonders viele interessierte Zuhörer den Weg in den Ratssaal. Der Vorsitzende des Seniorenbeirates, Prof. Dr. Heinz-Günther Borck, begrüßte das Publikum mit einem Überblick über die Geschichte der Sozialpolitik. Er schlug einen Bogen von mindestlohnähnlichen Vorschriften im alten Babylonien vor 3700 Jahren bis hin zu den Bismarckschen Sozialgesetzen von 1883-89: Sie waren bei der Armutsbekämpfung die fortschrittlichsten ihrer Zeit.

Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz erläuterte verschiedene wissenschaftliche Ansätze zur Definition von Armut und setzte sich kritisch mit den vorliegenden statistischen Daten und dem neuen Alterssicherungsbericht der Regierung auseinander (Näheres hier). Dabei erklärte er nicht nur Rezepte wie die Aufforderung an Niedriglohnempfänger, wegen zu erwartender geringer Rentenhöhe private Vorsorge zu betreiben, für offenbar untauglich; er befürchtete vor allem eine sinkende Akzeptanz der staatlichen Sozialversicherung, wenn die Rentenhöhe langfristig auf das Niveau der Grundsicherung absinken sollte, und erläuterte seine Thesen anschließend auch in einem SWR-Interview, das am 28. 10. ausgestrahlt wurde („Diskussion um Rentenreformen: Das Damoklesschwert der Altersarmut“ in der Sendung „Journal am Morgen“ (SWR 2)( http://mp3-download.swr.de/swr2/kultur-aktuell/interviews/politisches-interview/2016/10/diskussionum-altersarmut-20161028-swr2-journal-am-morgen.12844s.mp3)). David Langner, Staatssekretär im Sozialministerium in Mainz, legte dar, mit welchen Maßnahmen – u.a. ihrem Projekt „Gut Leben im Alter“ – die Landesregierung auch für von Armut betroffene Personen ein lebenswertes Umfeld erhalten will, und die Ehrenvorsitzende der BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen), Roswitha Verhülsdonk, stellte die Grundprobleme der Alterssicherung dar, wie sie sich aus dem Versicherungscharakter des Systems und der öffentlichen Teilfinanzierung ergeben(Näheres hier). Der abschließende Vortrag des Leiters der städtischen Statistikstelle, Dr. Manfred Pauly, vermittelte dem Publikum überraschende Erkenntnisse vor Ort, so die Einsicht, dass z.Z. junge Leute eher armutsgefährdet sind als alte Ehepaare und dass sich in Koblenz die Bezieher der Grundsicherung nach SGB XII auf wenige Stadtteile konzentrieren (Näheres hier).

In der abschließenden rund einstündigen regen Diskussion mit dem Publikum standen Fragen der Rentenhöhe und der Rentenbemessungsgrenze, aber auch tatsächlich oder vermeintlich versicherungsfremde Leistungen der Sozialversicherung (ist z.B. die Mütterrente eine Investition in die Zukunft des Rentensystems oder darin ein Fremdkörper?) im Vordergrund des Interesses und wurden von Roswitha Verhülsdonk beantwortet. Zahlreiche Fragen mit örtlichen Bezügen, besonders nach alters- bzw. behindertengerechtem und erschwinglichem Wohnraum sowie nach der Einkommensverteilung in den Stadtteilen, richteten sich an Dr. Manfred Pauly.

Um 18.00h schloss Prof. Borck mit dem Dank an Referenten und Publikum eine Veranstaltung, die allen Teilnehmern erhebliche Informationsgewinne beschert haben dürfte.